Der Mythos vom rational kaufenden Kunden. Fachbeitrag für die Zeitschrift „BaustoffMarkt“

Der Mythos vom rational kaufenden Kunden

Fachbeitrag für die Zeitschrift „BaustoffMarkt“

Den Homo Oeconomicus gibt es nicht!

Wir reden uns in der Baustoff-Branche, sowohl in der Bauindustrie, wie auch im Baustoff-Fachhandel, gerne ein, dass sich unsere Kunden, ob Handwerker, Planer/Architekten oder Bauherren und Renovierer weitgehend rational für den Kauf unserer Produkte entscheiden.

Daher beglücken wir sie mit vielen technischen Daten und Details in unseren Marketingmedien. Auch der Vertrieb argumentiert Produkteigenschaften zumeist sehr technisch.

Leider ist der „Homo Oeconomicus“, der Kunde, der sich auch selbst gerne als rational entscheidend sieht, ein Mythos.

…aber wir verkaufen doch technische Produkte!

Das ist der Einwand, mit dem wir in den Unternehmen unser Handeln rechtfertigen und uns diese Einschätzung auch von Kundenseite bestätigen lassen.

In Wahrheit kaufen Kunden jedoch überwiegend nach emotionalen Aspekten Produkte aus den Bereichen Bauen und Leben ein.

Bei endkundennahen Produkten stimmen wir eher zu.

Beim Kauf einer Haustür, einer Markise oder einer Tapete leuchtet uns vielleicht noch ein, dass teilweise emotional entschieden wird, denn dort sieht der Endkunde das Produkt täglich. Beim Kauf eines Dachziegels, eines Fassadenputzes oder einer Heizungsanlage vielleicht auch noch. Aber bei Produkten, die man später nicht einmal mehr sieht, weil sie verbaut werden wie ein Ziegelstein, ein Dämmstoff, ein Fliesenkleber, ein Abflussrohr?

Der Endkunde oder ein Investor darf als Maßstab für Entscheidungen oft nicht herhalten, denn in vielen Fällen trifft ein Partner aus der Wertschöpfungskette (ein Fachhändler, ein Handwerker oder ein Fachplaner) eine Vorauswahl und bietet diese der nachfolgenden Stufe an.

Doch auch diese Partner in der Wertschöpfungskette agieren in ihrer Entscheidungsfindung nicht rational, sondern weitgehend emotional.

Was sind die Erkenntnisse aus dem Neuromarketing?

Alle seriösen Untersuchungen aus dem Neuromarketing zeigen uns, dass sich Menschen überwiegend emotional für ein Produkt entscheiden. Die technischen Parameter sind wichtig und notwendig, weil viele Bauprodukte diese erfüllen müssen, um im Bereich Bauen und Wohnen überhaupt eingesetzt zu werden (z. B. Zulassungen), aber auch, um Produkte mit dem Wettbewerb zu vergleichen.

Selbst bei sehr technischen Produkten werden jedoch bis zu 80% der Entscheidungen auf einer emotionalen Basis getroffen. Faktoren wie eine starke Marke, ein gutes Verhältnis zum Kundenbetreuer, gute Serviceleistungen, freundliche Mitarbeiter im Vertrieb oder die Qualität einer Ausstellung sind kaufentscheidende Faktoren.

Die Anbieter von Konsumgütern, auch diejenigen, die technische Produkte anbieten wie Fernseher oder Autos, haben dies schon lange erkannt. Welcher Autohersteller wirbt in einem Fernsehspot mit den Daten der Motoren oder der Anzahl an Varianten?

Aktivierende Faktoren wie Motivation oder Emotion und kognitive Faktoren wie Einstellungen und Lernen, oder die Zugehörigkeit zu einer Bezugsgruppe (z. B. Freunde oder Bekannte) sind die entscheidenden Parameter für das Konsumentenverhalten.

Dies auch für Produkte aus dem Bereich Bauen und Wohnen zu erkennen und dieses Wissen zu nutzen ist Aufgabe des modernen B2B-Marketings. Dort können wir vom Konsumgütermarketing noch viel lernen.

Wie bauen wir heute unsere Kundenansprache auf?

Bei der Endkundenansprache nutzen die Hersteller und auch die Fachhändler heute oft schon die emotionale Ansprache mit z. B. Bildwelten, Darstellung von Testimonials und moderner Typografie. Auch in den Aufbau einer starken Marke wird Budget investiert.

In der Fachansprache setzen die Hersteller jedoch noch verstärkt auf eine nüchterne, erklärende, belehrende Sprache, auf technische Produktmerkmale ohne Nutzenargumentation und auf Abbildungen von Produkten. In den Unterlagen, auf den Webseiten oder in den Fachanzeigen dominieren Produktgebinde, Maschinen, Detailzeichnungen, Abbildungen von Zulassungen und Labels, kombiniert mit relativ großen Textblöcken.

Warum: Entscheider in der Wertschöpfungskette wie Fachhandel, Handwerker oder Fachplaner sind selbst überzeugt, dass sie bei der Auswahl und Empfehlung von Produkten rational vorgehen und aufgrund von technischen Vorteilen entscheiden.

Dies ist zwar wissenschaftlich nachweislich falsch, aber solange sich diese Vorstellung in den Fachkreisen hält muss man diese falsche Vorstellung auch bedienen.

Der Fachmann als „Influencer“.

Das hat auch einen großen Vorteil: Wenn wir diese Fachleute mit technischen Details überzeugen, erzählen sie die technischen Argumente im Markt weiter. Sie agieren für die Unternehmen als „Influencer“.

Die Bedeutung von Influencern im Markt kann nicht unterschätzt werden, denn die Glaubwürdigkeit von Fachleuten wie Handwerker und Händler ist höher als die Glaubwürdigkeit der Industrie, weil sie von Endkunden und Investoren als vermeintlich „objektiver“ angesehen werden.

Doch auch hier ist Fachwissen hilfreich, aber nicht kaufentscheidend für die Kunden.

Nutzen Sie die Customer Journey!

Die „Customer Journey“, ein gerne genutztes Schlagwort von Agenturen, um möglichst viele Dienstleistungen zu verkaufen, ist trotzdem ein wichtiger Ansatz. Der Kunde durchläuft bis zur Kaufentscheidung einen Prozess mit verschiedenen Phasen.

Der Kaufprozess startet schon weit vor der Kaufentscheidung. Schon in einer frühen Phase, wenn der Kunde (und damit sind alle „Kunden“ in der Wettschöpfungskette gemeint) noch gar kein Bedürfnis nach dem Bauprodukt hat, müssen wir mit Marketing-Maßnahmen ansetzen.

Mit Medien wie Social Media, Public Relations, TV-Werbung oder regionale Rundfunkwerbung sprechen wir das Unterbewusstsein an und kommunizieren unsere Marke, ohne dass er wirklich einen Bedarf hat. In dieser Phase benötigt der Kunde die Produkte noch gar nicht. Entgegen langläufiger Meinung ist das hier eingesetzte Marketingbudget jedoch nicht unsinnig eingesetzt, sondern es platziert die Unternehmens- oder Produktmarke im Gedächtnis des Kunden. Und Kunden sind nicht nur Endkunden/Investoren, sondern auch Fachhändler, Planer und Handwerker.

Später dann, in der Explorationsphase, wenn wir den Bedarf geweckt haben und der Kunde Alternativen vergleicht, setzen wir Medien wie unsere Homepage, unsere Produkt-Broschüren, Fachmessen, Fachanzeigen oder Produktvideos ein. Hier ist es dann hilfreich, dass die Kunden die Unternehmens- oder Produktmarke bereits kennen, auch wenn sie oft nicht wissen, woher. Hier gilt der Satz: Wir kaufen, was wir kennen.

Nach der Explorationsphase startet die Kaufentscheidungsphase, hier kommt der Vertrieb mit seinen Aktivitäten ins Spiel. Kunden benötigen eine persönliche Beratung, eine Schulung, Planungsunterlagen, Print-Unterlagen mit Details oder eine Hotline.

Denken Sie auch hier an die emotionale Ansprache und nicht nur an die technischen Details.

Und fragen Sie beim Kunden ruhig einmal nach, ob er die technischen Informationen überhaupt verstanden hat. Die Industrie unterstellt dem Fachplaner oder dem Fachhandel und diese dem Handwerker gerne ein Fachwissen. Aber bedenken Sie, dass die Industrie nur ein Wissen über wenige Produkte (über die eigenen Produkte) vorhalten muss, ein Fachhandel ein breiteres, aber nicht tiefes Wissen (über das Produktsortiment verschiedener Anbieter) und der Handwerker zudem auch noch ein Praxiswissen über die Anwendung/Verarbeitung haben muss. Mit jeder Wertschöpfungsstufe verbreitert sich das Wissen, aber es vertieft sich zumeist nicht.

Überraschen Sie Ihre Kunden positiv!

In der Kaufphase heben Sie Sich von Ihren Mitbewerbern ab, wenn Sie den Kunden positiv überraschen, ihm etwas bieten, was er nicht erwartet hat.

Damit ist nicht die Einhaltung eines zugesagten Liefertermins oder die Erreichbarkeit der technischen Hotline gemeint, denn das ist selbstverständlich.

Aber eine Lieferverfolgung der Bestellung (Track and Trace) oder die Einladung zu einem Werks- oder Ausstellungsbesuch oder die Versorgung mit über das Internet generierten Leads sind solche Überraschungen, an die der Kunde nicht direkt denkt und die einen positiven Eindruck hinterlassen.

Nutzen Sie unterschiedliche Medien für unterschiedliche Zielgruppen mit unterschiedlichen Botschaften!

Analog der Customer Journey benötigen unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Botschaften. Ein Fachplaner benötigt den Ausschreibungstext für das Produkt, der Verkäufer im Fachhandel muss die Nutzenargumentation für den Handwerker kennen und den Handwerker interessieren die Produkteigenschaften.

Viele Unternehmen versuchen, alle Inhalte in ein Medium zu pressen, in der Hoffnung, dass die Zielgruppe sich die benötigten Inhalte selbst heraussucht.

Nutzen Sie lieber unterschiedliche Medien für unterschiedliche Zielgruppen. Dazu müssen Sie die Medien auswählen, die Ihre Kunden erreichen.

Der Handwerker informiert sich auf Ihrer Homepage oder anhand einer Broschüre, dazu müssen die Informationen analog zur Customer Journey angeordnet sein. Bitte bedenken Sie, dass kein Besucher Ihrer Homepage eine höhere Klicktiefe als 4-5 Ebenen akzeptiert, um die Informationen zu erhalten, ansonsten erhöht er Ihre Absprungrate (Bounce Rate).

Ein Fachplaner informiert sich auf einer Architektenplattform, vielleicht gelangt er dann zu Ihrer Homepage.

Und die Entscheider im Fachhandel erreichen Sie mit einer Anzeige im BaustoffMarkt. Hier bitte nur wenige Botschaften in der Anzeige nutzen, keine Text-Friedhöfe schaffen und nicht denken, der Leser würde sich 10 Minuten Zeit nehmen, um die Fachanzeige zu lesen.

Und immer daran denken, dass Sie nur wirklich notwendige rational-technische Informationen kommunizieren und verstärkt auf emotionale Faktoren setzen, denn diese haben den größeren Einfluss auf die Kaufentscheidung.

Ziehen Sie bei Bedarf externe Agenturen und Beratungen hinzu, die mit Ihnen die Customer Journey analysieren, Ihnen Ratschläge für die Optimierung der Marketingmedien unterbreiten und die Optimierungen umsetzen.

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